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Film___Buch

Film-Literatur: Ein weites Feld – von lediglich an der Oberfläche kratzenden Bilderbüchern bis hin zu bleilastigen, von Subtexten zu Metaebenen changierenden Theoriebibeln, findet sich so ziemlich alles in den Bücherregalen der Filmliebhaber. Leider steht gerade bei den anspruchsvollen filmtheoretisch-wissenschaftlichen Betrachtungen oft nicht mehr das Medium Film im Mittelpunkt, sondern eher der jeweilige Ansatz des einzelnen Autors. Das Ergebnis: Frustration wegen der schwer deut- und lesbaren Interpretationsversuche und die stetige Entfernung vom Wesentlichen, dem Film.

Deshalb seien an dieser Stelle ein paar uneingeschränkte Film-Literatur-Empfehlungen genannt, die relativ leicht zugänglich sind und dabei dennoch ungemein aufschlussreich und spannend bleiben. Filmbücher von Autoren, die mit spürbarer Leidenschaft, ihrer Liebe zum Medium Film Ausdruck verleihen und auf faszinierende Weise Wissen und Emotionen vermitteln.

 

„Yo – Ich selbst“ (1984) – Sergej M. Eisenstein

Eisenteins Memoiren, bestehend aus von ihm selbst zusammengestellten, über die Jahrzehnte angehäuften Gedanken, Arbeitsthesen, Skizzen und Entwürfen. Manche Texte wirken unfertig, andere hingegen weisen eine unglaubliche Perfektion auf. Man meint die Arbeitsprozesse und Denkstrukturen des Universalgenies überblicken zu können. Trotz des  fragmentarischen Aufbaus ungemein spannend und stringent.

 

 

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„Film als subversive Kunst: Kino wider die Tabus – von Eisenstein bis Kubrick“ (Film as  Subsersive Art / 1974) – Amos Vogel

Ein Sammelsurium an interessanten, provozierenden, experimentellen Filmen aus allen Teilen der Welt. Zwar schreibt Vogel zu den einzelnen Filmen oft nicht mehr als eine kurze, aus dem Gedächtnis zitierte Inhaltsangabe, die meist nicht sonderlich präzise und manchmal faktisch einfach falsch ist. Doch gibt das Buch dennoch einen exzellenten Überblick über die Experimental- und Kunstfilmszene von den Anfängen des Kinos bis in die 1970er Jahre. Aufgrund der hohen Dichte der besprochenen Filme auch als Nachschlagewerk zu verwenden.

 

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„Film als Kunst“ (1932) – Rudolf Arnheim

Was ist Film? Was zeichnet ihn aus? Was grenzt ihn von anderen Kunstformen ab? Was macht ihn einzigartig? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Arnheim in „Film als Kunst“. Sein feuilletonistischer Stil, besticht durch Pointiertheit und stark subjektive Färbung. Zwar sind einige Ansichten heutzutage kaum noch haltbar – auch distanzierte sich Arnheim selbst von einigen Thesen; doch macht gerade dies, die Magie dieses kompromisslosen Pamphlets aus.

 

 

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„Film verstehen“ (How to read a film / 1977) – James Monaco

Körnung des Filmmaterials, Physiognomie der Wahrnehmung, Mise en Scène und Malteserkreuz… In diesem Buch werden Details zum Thema Film erklärt. In verschiedenen Kapiteln gibt Monaco einen umfassenden Überblick über Filmtechnik, -sprache, -geschichte, -theorie usf. Sowohl für Film-Laien als auch für Experten absolut lesenswert und als eine Art ständiges Nachschlagewerk jederzeit zu empfehlen.

 

 

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„Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ (Le Cinéma selon Hitchcock / 1966) – François Truffaut

In einem lange vorbereiteten Interview steht Alfred Hitchcock, seinem Bewunderer Truffaut Rede und Antwort. Häufig merkt man Truffaut seinen Respekt vor Hitchcock förmlich an; an anderen Stellen des Buches wirkt das Interview eher wie ein Gespräch zweier Filmenthusiasten auf Augenhöhe. Definitiv eine sehr schöne Übersicht über Hitchcocks Werk, wenn auch nicht immer sonderlich tiefgreifend. Dafür jedoch unglaublich interessant und absolut lesenswert. Ein Klassiker.

 

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„Mein letzter Seufzer“ (Mon dernier soupier / 1982) – Luis Buñuel

„Man besteht aus seinen Irrtümern und Zweifeln wie aus seinen Gewißheiten“. Ein Satz der sich als Leitmotiv durch die Autobiographie Buñuels zieht. Dieses Buch ist weniger durch filmtheoretische/filmographische Ansätze interessant; sondern beeindruckt eher durch die reflektierende Leichtigkeit eines Mannes, der die Film- und Kunstwelt jahrzehntelang aufgemischt hat. Ein augenzwinkernder Abgesang…

 

 

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„Groucho und ich“ (Groucho and me / 1959) – Groucho Marx

Eine intelligente und sprachlich wie immer extrem pointierte Auseinandersetzung mit dem, was Groucho sein Leben nennt. Stets humorvoll, meistens überraschend, oft melancholisch und immer lesenswert.

 

 

 

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„François Truffaut – Briefe 1945-1984“ (François Truffaut – Correspondance / 1988) – François Truffaut

Das Leben und das Werk Truffauts von einer ganz persönlichen Seite… Hier findet sich der gesamte Briefverkehr seines Lebens, zusammengefasst in einem Buch. Ideen, Besprechungen, Filmrezensionen, Notizen, Liebesangelegenheiten… Stets behände ausformuliert und interessant geschrieben. Der Leser gewinnt Einblicke in das Werk eines Filmenthusiasten; aus einer sehr privaten Perspektive.

 

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„Von Caligari zu Hitler: Eine psychologische Studie des deutschen Films“ (From Caligari to Hitler / 1947) – Siegfried Kracauer

Siegfried Kracauers Versuch einer soziologischen Studie, die den Weg in den Nationalsozialismus auf die deutsche Filmproduktion zwischen 1918 und 1933 zurückführt… Die wissenschaftlich und historisch gesehen kaum haltbare These durchzieht das gesamte Buch und wirkt dennoch auf erschreckende Weise überzeugend. Vor allem auf filmhistorischer Ebene beeindruckt Kracauers Buch und erweist sich, aufgrund der ungeheuren Zahl an detailliert besprochenen (heutzutage teilweise unbekannten, weil verschollenen) Filmen, als wahre Fundgrube.

 

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„Pioniere des Films“ (The parade’s gone by / 1997) – Kevin Brownlow

Kevin Brownlow interviewte in den 60er Jahren Regisseure und Filmschaffende, die Hollywood in den 10er und 20er Jahren zu dem machten was es heute ist. Ein ungemein liebevoll gestaltetes Werk mit jeder Menge Anekdotischem, von einstigen Stars – die heutzutage kaum noch bekannt sind. „The parades gone by“ blickt auf sentimentale und ausführliche Weise zurück und  beleuchtet wie kein anderes Buch die Produktionsverhältnisse der Stummfilmzeit…


7 Antworten to “Film___Buch”


  1. 10. Februar 2011 um 21:56

    Eine wunderbare Auswahl! Autoren, die sich nicht selbstverliebt der „Dekonstruktion“ hingeben, sondern einen Kontext – handle es sich etwa um die Biographie eines Regisseurs oder das Filmemachen als solches – miteinbeziehen. Ich bin dir auch ausserordentlich dankbar, dass du im Zusammenhang mit Hitchcock auf das luftig-lockere Truffaut-Interview und nicht auf Donald Spotos unsägliche „Biographie“, über die ich bei Gelegenheit herfallen möchte, hinweist.

    Da ich mich immer wieder dabei ertappe, über „verfilmte Literatur“ zu schreiben, wäre ich auch für einen Hinweis zu diesem Thema (vom Buch zum Film, warum Bücher verfilmen? etc.) dankbar. Ansonsten: Wir blätterten in den 80ern auch gern in den Bänden der „Heyne Filmbibliothek“ (je nach Autor und Thema von unterschiedlicher Qualität), die z.T. noch heute erhältlich sein dürften.

    Ich habe mich in den letzten Tagen ein wenig in deinem hervorragenden Blog, von dessen Existenz mir mein Mitautor Manfred Polak erzählte, umgesehen. Toll, dich in meiner Blogroll zu haben – und danke für die Gegenverlinkung! Du verdienst viele Leser. Notfalls werde ich bei Gelegenheit auch mit ein wenig Werbung nachhelfen. 😉

    • 10. Februar 2011 um 22:50

      Ich freue mich sehr über deinen lobenden Kommentar und deine Anmerkungen: Du hast recht: Die Beziehung von Film und Literatur ist definitiv spannend – zumal ja im Grunde genommen jeder Film eine Literaturverfilmung ist (Drehbuch). Aber nicht nur der Einfluss der Literaturvorlage auf den jeweiligen Film, sondern auch die Rückwirkungen des Mediums Film auf literarische Werke sind interessant. Zu diesem Thema kann ich „Narrative in Fiction and Film“ (meines Wissens leider nur in Englisch erhältlich) von Jacob Lothe sehr empfehlen, weil hier eben von beiden Standpunkten ausgegangen wird…
      Und nochmals: Vielen lieben Dank für die motivierenden Worte… da macht die Bloggerei gleich doppelt so viel Freude…

  2. 11. Februar 2011 um 01:17

    Keine Sorge: Ich verschlinge englisch geschriebene Bücher seit meinem Studium. Dein Hinweis auf die Rückwirkungen des Mediums Film auf die Literatur ist höchst interessant. Vermutlich wurden seit Handkes „Der kurze Brief zum langen Abschied“ (1972) ganze Regale einnehmende Dissertationen zum Thema geschrieben – was mir natürlich entging, weil ich im Barock und im 18. Jahrhundert festklebte. 😦

  3. 11. Februar 2011 um 02:00

    Ich schließe mich der Meinung des werten Kollegen an: Eine schöne Auswahl. Und natürlich kann ich es nicht lassen, eigene Empfehlungen hinzuzufügen. Da WordPress dazu tendiert, Amazon-Links eigenmächtig umzugestalten, zuerst der Text und dann separate Links:

    Neal Gabler: „Ein eigenes Reich: Wie jüdische Emigranten Hollywood erfanden“
    Adolph Zukor (Paramount), Carl Laemmle (Universal), die Warner Brothers (die eigentlich Eichelbaum hießen), Louis B. Mayer (MGM), Harry Cohn (Columbia), etc.: Gabler bringt uns die frühen Hollywood-Moguln nahe und erzählt auch eine Sozialgeschichte Hollywoods und der USA im frühen 20. Jh. Von den Marotten der Studio-Bosse bis zur Kommunistenjagd, die auch antisemitische Züge hatte und im Buch ausführlich geschildert wird.

    Otto Friedrich: „Markt der schönen Lügen. Die Geschichte Hollywoods in seiner großen Zeit“
    Friedrich schildert weitgehend chronologisch (die Kapitel entsprechen jeweils einem Jahr) die Geschichte Hollywoods in den 40er Jahren. Von einzelnen Stars (z.B. wie Rita Hayworth „gemacht“ wurde) über die Entstehungsgeschichte ausgewählter Filme wie CASABLANCA bis zu übergeordneten Themen, zu denen das Buch immer wieder zurückkehrt, wie etwa dem Schicksal europäischer Emigranten. Auch Friedrich widmet sich ausgiebig der Geschichte der Kommunistenhatz.

    Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): „Geschichte des deutschen Films“
    Schlichtweg das Standardwerk zum Thema. Den Hauptteil bilden die chronologischen Kapitel, daneben gibt es solche zu speziellen Themen wie etwa Zensur und Selbstzensur oder Filmkritik und -theorie. Die meisten Kapitel sind sehr informativ und gut geschrieben, nur einige fallen etwas ab.

    Und natürlich gäbe es auch noch englischsprachige Bücher, die ich empfehlen könnte, aber da Du keine aufgeführt hast, lasse ich es auch.

    http://www.amazon.de/Ein-eigenes-Reich-Emigranten-Hollywood/dp/3827003539/

    http://www.amazon.de/schönen-Lügen-Geschichte-Hollywoods-seiner/dp/3462018825/
    http://www.amazon.de/schönen-Lügen-Geschichte-Hollywoods-seiner/dp/345304018X/

    http://www.amazon.de/Geschichte-deutschen-Films-Mit-Abbildungen/dp/3476019527/

  4. 11. Februar 2011 um 15:24

    Na, da kommt ja einiges zusammen…
    @Manfred: Du hast recht, die Links sehen spektakulär aus 😉 – aber nicht schlimm, man findets auch so…

  5. 11. Februar 2011 um 15:55

    Ein faszinierendes Kuriosum, auf das ich heute zufällig in meiner zerblätterten Bibliothek mal wieder gestossen bin: Curt Riess, Das gab’s nur einmal. Die grosse Zeit des deutschen Films (1985 im Ullstein-Verlag als Taschenbuch in drei Bänden erschienen). – Das meines Wissens 1956 erstamls veröffentlichte Buch, eine Zusammenfassung von Artikeln über die Geschichte der UFA, die der ehemalige Emigrant und Kämpfer gegen den Nationalsozialismus für den „Stern“ geschrieben hatte, geht erstaunlich gnädig mit einigen zweifelhaften Gestalten der Zeit um und ist sicher längst nicht über jeden Zweifel erhaben. Es bringt jedoch dem Leser die Geschichte des deutschen Films bis 1945 auf eine derart erfrischende Weise näher, dass er einer Lektüre einfach nicht widerstehen kann, sich den „Postmeister“ (1940) augenblicklich wieder ansehen möchte und Zarah Leander dabei zusehen will, wie sie zwei Meter grosse SS-Hünen unter den Tisch säuft. – Mit Vorsicht zu geniessen, jedoch unterhaltsam.

  6. 29. März 2020 um 09:09

    Ich bin also nicht der Einzige, der Filmbücher hortet: https://kinogucker.wordpress.com/filmliteratur/


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Unter den Blinden…

Kein Anspruch auf Vollständigkeit. Kein Anspruch auf Richtigkeit. Pure Subjektivität eines Einäugigen...

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